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    Juni 02 2015

    Interview mit deutschem Barcelona-World-Race Finisher Jörg Riechers

    Das Barcelona-World-Race (BWR) startete am 31.12. 2014. Jörg Riechers ist am 16. April um 13:35:22 glücklich im Ziel! Nach exakt 105 Tagen, 23 Stunden, 35 Minuten und 22 Sekunden, nach 23.321 gesegelten Meilen, rutscht die Renault Captur, das Boot von Jörg Riechers (46) und Sebastian Audigane (47), mit einem Hauch von Wind über die Ziellinie.
     

    Das Barcelona-World-Race (BWR) startete am 31.12. 2014. Jörg Riechers ist am 16. April um 13:35:22 glücklich im Ziel! Nach exakt 105 Tagen, 23 Stunden, 35 Minuten und 22 Sekunden, nach 23.321 gesegelten Meilen, rutscht die Renault Captur, das Boot von Jörg Riechers (46) und Sebastian Audigane (47), mit einem Hauch von Wind über die Ziellinie. 
    Zieleinlauf Jörg Riechers BWR
     Jörg Riechers ist der einzige deutsche Segler, der bislang am BWR teilgenommen hat. Riechers wird in 2016 auch an der „Vendèe Globe“ starten, der härtesten Nonstop-Einhand-Regatta um die Welt. Um 13 Uhr 35 beendeten die beiden Extremsegler mit Platz 6 das Zweihand-Rennen, das der Schweizer Bernhard Stamm zusammen mit dem Franzosen Jean Le Cam an Bord der „Cheminces Poujoulat“ schon 3 Wochen vorher beendet und somit gewonnen hatte.
     
    Am Ziel in Barcelona, in Sichtweite der Kolumbusstatue, erwartet die beiden Segler eine applaudierende Menge. Beide Männer wirken frisch - gar nicht erschöpft, wie man vielleicht glauben könnte. Mit geübten Handgriffen legen sie am Steg an. Es folgen Willkommensansprache, Preisverleihung, und Champagnerdusche. Nach der Zeremonie gibt es eine Pressekonferenz für Jörg und Sebastian. Nun ziehen sie sich im ganz kleinen Kreis in ein Zimmer zurück zu ihrem ersten Mittagessen an Land - nach der langen Zeit der Fertiggerichte. Beim Essen wird locker geplaudert. Keinesfalls kommt ein „Gott-sei-Dank-wir-sind-da“ - Gefühl auf. Es gibt kein Zeichen von Erschöpfung - trotz dieser extremen Leistung. Jörg Riechers könnte ebenso gut vom Büro nach Hause gekommen sein, um mit seinen Kollegen, mit Partnerin, PR-Manager und dem Journalisten Hans Mühlbauer als Gast, zu Mittag zu essen. Vorab noch sein erster Wunsch - frisch gepresster Orangensaft – dann aber: Feierabend!
     
    Das Boot: IMOCA 60 - 18,29 m (60 Fuß) lang, max. 4,5 m breit, max. 29 m Masthöhe. Diese Vorgaben, und noch wenige zusätzliche Stabilitätsregeln, sind die einzigen Parameter, an die sich die Konstrukteure halten müssen, um ein Optimum an Seetauglichkeit, Speed, Ergonomie und Kosten zu bekommen. Schließlich ergibt sich ein nur 8 - 9 Tonnen leichtes Boot, speziell optimiert für die harten Bedingungen auf See.
     
    Das Rennen: Die Regeln sind einfach: Eine Zweimann-Crew segelt auf Hightech-Yachten, auf den IMOCA 60, ab und an Barcelona ohne Stopp von West nach Ost rund um die Welt.
     
    Die Route: Von Barcelona nach Barcelona, ein Mal um den Globus – auf der Drei-Kap-Route – durch den Atlantik, über den Indischen Ozean und den Pazifik. Das Kap der Guten Hoffnung, Kap Leeuwin und Kap Hoorn bleiben hierbei an Backbord liegen.
     
    Die Verpflegung: 25 verschiedene gefriergetrocknete Gerichte stehen zur Auswahl. Gefriergetrocknet deshalb, um so leicht als möglich zu sein. Nur mit Wasser werden sie angerührt und heiß oder kalt verzehrt. Gekochtes Fleisch gibt es ebenso wie Pasta Carbonara, und auch Reisgerichte und Desserts. Zumeist gießt man das Wasser direkt in die Essenstüte, die gleichzeitig als Teller dient.
     
    Die Probleme: Heikle Situationen auf See gab es mehr als genug: Eines der Ruderblätter war gebrochen, vielleicht durch zu hartes Segeln, um Speed zu machen. Dadurch wurde das Boot unsteuerbar und schoss immer wieder in den Wind. Ein Reparaturstopp in Neuseeland war nötig. Generatorausfall gab es auch, mitten im Atlantik. Noch die kleinen Schleppgeneratoren lieferten ein wenig Notstrom. Nach Tagen konnte der Generator wieder instand gesetzt werden.
    Dann gab es unzählige kleinere Probleme mit Beschlägen, Segeln, Rigg und Tauwerk.
     
    Die Crews: 16 Segler in 8 Booten waren ursprünglich am Start. Schon in der frühen Phase des Rennens musste leider das Boot „Hugo Boss“ wegen Mastbruch ausscheiden, so dass nur noch sieben Boote im Rennen waren, die das Race auch beendeten.
     
    Platzierungen des Barcelona-World-Race 2015
    Platz
    Bootsname
                   
                   
    1.
    Cheminées Poujoulat
     
    Jean Le Cam
    FR
    Bernhard Stamm
    Swiss
              
    2.
    Neutrogena
     
    Guillermo Altadill
    ES
    Jose Munoz
    Chile
              
    3.
    GAES Centros Auditivos
     
    Gerard Marin
    ES
    Anna Corbella
    ES
              
    4.
    One Planet, One Ocean / Pharmaton
     
    Didac Costa
    ES
    Aleix Gelabert
    ES
              
    5.
    We Are Water
     
    Bruno Garcia
    ES
    Willy Garcia
    ES
              
    6.
    Renault Captur
     
    Jörg Riechers
    DE
    Sebastian Audigane
    FR
              
    7
    Spirit of Hungary
     
    Nandor Fa
    HU
    Conrad Colman
    NZ
              
    Ausgeschieden
    Hugo Boss
     
    Pepe Ribes
    ES
    Alex Thomson
    UK
              
     
    Kranzverleihung BWR

     Unser Autor Hans Mühlbauer war beim Zieleinlauf von Jörg Riechers vor Ort in Barcelona und konnte sich mit ihm beim Mittagessen unterhalten:
     
    HM: Was war für dich der beste Moment des Törns?
     
    JR: Eindeutig Kap Hoorn – weil ich in dieser extremen Situation – es gab Windböen bis über 70 Knoten und haushohe Wellen – erkannt habe, dass ich der Herr der Lage bin, dass ich ganz konzentriert die Situation beherrschen konnte. Das ist für mich ein wichtiger Punkt für die kommende Vendèe Globe, wenn ich dann solo an Bord in dieser Region unterwegs bin.

    HM: Was war Dein schlimmstes Erlebnis?
     
    JR: Auch das Kap Hoorn – weil es eine gefährliche Situation war, in der wir uns befanden: Die 70-kn-Böen, das chaotische Meer, und wir mit Großsegel im dritten Reff mittendrin. Wir mussten da durch, das war unsere Möglichkeit.
    Und dann gab es natürlich noch unser Ruderproblem, wir mussten ablaufen nach Wellington in Neuseeland für einen Stopp zur Reparatur. 40 Stunden dauerte das und brachte uns mehr als 1500 zusätzliche Seemeilen. Dabei verloren wir leider 2 Plätze. Vorher lagen wir noch auf dem vierten Platz, zeitweise waren wir sogar nur 200 Meilen hinter den Spaniern Anna Corbella und Gerard Marin! Ein Platz auf dem Podium war da für uns noch drin. Aber nach dem Reparaturstop war das Rennen für uns eigentlich gelaufen.
     
    HM: Ihr hattet ja nur begrenzt Verpflegung dabei – hat sie ausgereicht?
     
    JR: Verpflegung hatten wir für insgesamt 100 Tage dabei – da war ein wenig Reserve einkalkuliert. Aber dann war da der Pitstopp, und auch der viele Wind von vorn - ab den Falklands sind wir den ganzen Atlantik fast nur noch aufgekreuzt, und auch im Mittelmeer gab es für uns wechselnde Winde genau auf die Nase – und so dauerte das Rennen etwas länger. Wir hatten zum Glück noch Crackers und Desserts an Bord.
     
    HM: Du hast mal erklärt, dass das Segeln im weiten südlichen Ozean anders sei als im Atlantik – wie unterscheidet sich das?
     
    JR: Im südlichen Ozean musst Du leider ständig „underpowered“ segeln, kannst also das Potential des Bootes nur zu etwa 80 Prozent ausreizen. Du musst ständig damit rechnen, dass der Wind ohne Warnung binnen Minuten von beispielsweise 25 auf 35-40 Knoten aufbrist, und dafür musst Du die richtigen Segel gesetzt haben. Im Atlantischen Ozean dagegen kannst Du das Boot knallhart pushen und 100 Prozent Gas geben. Im Atlantik werden die Regatten gewonnen, nicht im Pazifik.
    Pressekonferenz Barcelona World Race
    HM: Wie ging es euch beiden miteinander – habt ihr euch auch mal gekabbelt?
     
    JR: Wenn man 3 Monate so eng zusammenlebt bleiben Konflikte nicht aus. Grade bei Niederlagen, beim Ruderbruch zum Beispiel, war es wirklich nicht leicht, dass wir gemeinsam das Tief bewältigt haben. Heil und sicher nach Hause kommen - das Rennen erfolgreich beenden - das war unser Ziel. Die Platzierung war dann wirklich zweitrangig.
     
    HM: Östlich von Gibraltar wart ihr eigentlich schon auf der Zielgeraden, seid ihr plötzlich Zickzack gesegelt. Was ist passiert?
     
    JR: Plötzlich ist uns der Solent, unsere mittlere Rollfock, plötzlich ausgerauscht. Scheinbar war sie nicht eng genug gewickelt gewesen, so dass der Wind das Tuch erfassen konnte, und plötzlich war sie komplett ausgerollt. Wir mussten einige Manöver segeln, um das schlagende Segel wieder einzurollen. Wir haben da Zeit und Strecke verloren. Nur noch 80 Meilen vor dem Ziel schlief der Wind ein, wir mussten auch nochmals auf die Kreuz. Schließlich, 15 Meilen vor Barcelona, quälten wir uns 3 Knoten dahin, weil ein Regenschauer auch noch den letzten Windhauch zerstört hatte. Das war echt nervig. Im Ziel gab es dann doch noch Sonne. Segeln im Mittelmeer ist kompliziert.
     
    HM: Was ist denn kaputt gegangen?
     
    JR: Andersrum stimmt die Frage: Was ist nicht kaputt gegangen?! Der Kiel war in Ordnung. Er hatte zwar immer mal Töne produziert, aber er hat gehalten. Es war für uns das MacGuyver-Race, denn wir waren immerzu beschäftigt mit Schrauben und Reparieren.
     
    HM: Was sind Deine weiteren beruflichen Pläne?
     
    JR: Ich habe das Barcelona World Race auch zum Erfahrung-Sammeln genutzt, denn am 16.11.2016 starte ich bei der Vendée Globe, der Einhandregatta rundum und nonstop, in Les Sables d’Olonne an der Atlantikküste.
     
    HM: Wird es ein neues Boot geben?
     
    JR: Ja! Für mich wird es einen Neubau geben. Viele Ideen und entscheidende Verbesserungen habe ich schon in Petto. Diese werden in das neue Boot einfließen. Es wird zukünftig auch Foils geben. Anstatt der Seitenschwerter werden Foils angebracht sein, die ein großes aufrichtendes Moment erzeugen und die den Rumpf anheben werden - je schneller das Boot segelt desto mehr Wirkung. Allein diese Verbesserung wird schon mehrere Knoten an Speed bringen. Wir waren jetzt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 10 kn unterwegs, mit Top-Speed um die 25 kn. Das wird dann deutlich mehr werden. Allerdings: Die Zeit bis zum Start ist knapp: Nur noch 18 Monate bis zur Vendée. Im April 2016 wird das neue Boot fertig sein, dann ist noch genügend Zeit für Erprobung und Feintuning.
     
    HM: Es gab im Vorfeld der Regatta ja leider ein Partner- und Sponsor-Problem…
     
    JR: Stimmt. Das Mareteam war ja einige Jahre lang mein Partner bei den Regatten gewesen. Mit der „Mare“ hatte ich mich auf das Barcelona World Race vorbereitet – dazu habe ich das Boot in vielen Details optimiert und schneller gemacht. Dann zog sich das Mareteam kurzfristig zurück, aus dem gesamten Regattasport – und mein Rennboot war weg. Die „Mare“ dann das Team um Bernhard Stamm gekauft, und nun damit das BWR gewonnen! Immerhin: Meine Optimierungen haben Erfolg gezeigt…! Wenn auch ich das Nachsehen hatte - buchstäblich. Wir mussten uns dann schnell nach einem anderen verfügbaren Boot umsehen. Mit der „Renault Capture“, einem Finot-Conq Design aus dem Jahr 2007 (ex Brit-Air, gechartert vom Eigner Bernard de Broc), sind wir schließlich hier angetreten.
     
    HM: Was wirst Du jetzt in der nächsten Zukunft machen?
     
    JR: Wenn mir jemand ein gutes Angebot zum Segeln vorlegt, auch wenn es nur für ein paar Tage wär - ich könnte schon wieder…
     
    HM: Er ist halt besessen vom Segeln, von seinem Beruf - er liebt und lebt das Segeln einfach...
    Mit Mut und Erfindungsgabe absolvieren Jörg Riechers und sein erprobter Co-Skipper Sebastian Audigane das BWR souverän. Sie reparieren sich zwar um die Erde, aber das macht dieses harte Race auch so spannend: Es gewinnt nicht der beste Taktiker, oder das schnellste Boot, sondern diejenige Mannschaft, die mit den alltäglichen Problemen am besten zurechtkommt.

    Textvorlage und Interview: Hans Mühlbauer
     
     
     
     
    Felix Wolf
    [email protected]

    Felix ist Mitgründer und Inhaber von YachtBooker. Er ist selber Charterskipper und hat Spass daran neue Segelreviere zu erkunden.

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